Forschungsprojekt: Friedrich Nerly
Friedrich Nerly – Von Erfurt in die Welt
Schon seit Langem stellt die kunsthistorische Bearbeitung der Gemälde und Ölstudien des Erfurter Haupt-Nachlasses Friedrich Nerlys des Älteren (Erfurt 1807 – 1878, Venedig) ein wichtiges Forschungs-Desiderat dar. Das interdisziplinär angelegte Bestandserforschungsprojekt, das von umfangreichen konservatorisch-restauratorischen Maßnahmen begleitet wird, mündet 2024 in eine große Ausstellung. Parallel wird derzeit die Neuerschließung des umfangreichen Nerly-Konvoluts in der Grafischen Sammlung vorangetrieben.
Wie kaum ein anderer repräsentierte Friedrich Nerly ein neues, zwischen Reisen und Sesshaftigkeit wechselndes Künstlertum. Ihm eignete eine fluktuierende Identität zwischen deutscher Herkunft und italienischer Wahlheimat, zwischen der Zugehörigkeit zu den frühen Pleinairisten in Rom und einer Entwicklung zum arrivierten Landschaftsmaler, dem als deutscher Künstler in Venedig eine internationale Karriere gelang.
Nerly lässt sich als wichtiger Akteur im regen Kulturtransfer zwischen Deutschland und Italien im 19. Jahrhundert begreifen, brachte er doch aus seiner Heimat zwei wesentliche künstlerische Erfahrungen mit: Zum einen die Mal- und Zeichenpraxis des sich unermüdlich in Mobilität befindlichen neuen, en plein air arbeitenden Landschaftsmalers; zum anderen die grundlegende ästhetische Erfahrung der Dresdner Mondscheinromantik. Mit dieser gelang es ihm, die traditionsreiche venezianische Vedute in sehnsuchtsvolle, lunare Erinnerungsbilder zu verwandeln. Mit seinem Alleinstellungsmerkmal als Erneuerer der Venedig-Vedute in ihrer nächtlichen Verwandlung gewann Nerly internationale Käufer in den Durchreisenden, funktionierte seine Atelierwohnung im ehrwürdigen Palazzo Pisani zu einem Ausstellungsraum um und malte seine berühmtesten Motive wie die mondbeschienene Piazzetta in 36 Versionen, sodass ihm gar ein früher Welterfolg gelang.
Das Ziel des Forschungsprojektes liegt neben der Bestandserfassung mit Verlustgeschichte darin, Friedrich Nerly als reisenden Landschaftsmaler mithilfe aktueller Fragen aus der Kulturtransfer-Forschung neu zu verstehen, seine werkprozessualen Schritte von den ersten, vor Ort gefertigten (Öl-) Studien bis zum Atelierbild nachzuvollziehen und seine einfallsreichen Verkaufsstrategien vor dem Hintergrund der sich globalisierenden Welt zu analysieren.
Wissenschaftliche Leitung
Dr. Claudia Denk, Gastwissenschaftlerin und -kuratorin, Angermuseum Erfurt
Thomas von Taschitzki M.A., Kurator für Gemälde und Skulpturen, Angermuseum Erfurt