Sammlung Mittelalter und Frühe Neuzeit im Angermuseum

Die künstlerisch bedeutendste Abteilung des Angermuseums ist die Sammlung mittelalterlicher Kunst. Neben den hochrangigen Werken aus der Blütezeit Erfurter Kunstentwicklung in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, den vier Tafeln des Augustineraltars, den Sandsteinskulpturen aus der Werkstatt des Meisters des Severisarkophags und der Hirschmadonna, den Werken des Weichen Stils, Sandsteinmadonnen und Tafelmalereien aus Erfurter Kirchen, stehen Arbeiten, die die Ausstrahlung und das Weiterwirken der großen Erfurter Werkstätten repräsentieren, aber auch die zum Teil ausgesprochen qualitätvollen Schnitzfiguren aus den Dorfkirchen in der Umgebung.

Bild: Cranach: Lasset die Kindlein zu mir kommen (um 1535) Bild: © Angermuseum Erfurt

Cranach zeigt Christus inmitten einer Gruppe von jungen Frauen, die ihm ihre Kinder zum Segnen darbieten; ein Kind hat sich gar in den Mantel Jesu gewickelt, während rechts ein Knabe – wohl von der Erscheinung erschreckt – seine Schwester am Zipfel ihres Kleides hinwegzuziehen versucht. Während von rechts immer mehr Mütter mit ihren Kindern herbeiströmen, eilen von links die Jünger herbei, allen voran Petrus mit abwehrend erhobenen Händen. Die im Himmel schwebende Inschrift „Lasset Die Kindlin Zu Mir Komen, Und Weret Inen Nicht, Den Solcher Ist Das Reich Gottes, Marc. X“ weist auf die Überlieferung der Kindersegnung durch Jesus gegen den Widerstand der Jünger, die in den Evangelien von Matthäus, Lukas und Markus fast gleichlautend berichtet wird. Damit illustriert dieses protestantische Bildmotiv Luthers Meinung, der Glaube bedürfe nicht des Intellekts oder des lernenden Wissens.

Am Ausgang des Mittelalters stehen Werke der Cranachzeit mit dem Hans Baldung-Grien zugeschriebenen Gemälde der Schöpfungsgeschichte.

Als historisches Kleinod bewahrt das Angermuseum die mittelalterliche Ausstattung des alten Rathauses. Mannshohe Setzschilde aus dem 14. Jahrhundert, verziert mit den Stadtwappen, künden vom Selbstbewusstsein der Erfurter Bürgerschaft; Rundbilder mit Sprüchen aus Freidanks Bescheidenheit, Monatsdarstellungen, Propheten und Evangelisten schmückten die hölzerne Spitztonne des Ratssaales.

Seit etwa 1530 entstanden in der Cranach-Werkstatt zahlreiche Darstellungen des Schmerzensmannes. Der mit dem Lendentuch bekleidete Christus sitzt mit leidend geneigtem Haupt und präsentiert die Wundmale in den Händen und der Seite. Auf dem Kopf trägt er die Dornenkrone, die Leidenswerkzeuge hält er mit dem linken Arm. Ihn umschweben auf dem dunklen Hintergrund vier Engel.

Das Motiv des Schmerzensmannes entstand als Andachtsbild im 14. Jahrhundert aus der Tradition byzantinischer Vorbilder. Dem Bild des Leidens Christi kam auch in der protestantischen Kultur durch die unmittelbare Vergegenwärtigung des Opfertodes Christi Bedeutung zu. So ist die Produktion zahlreicher Varianten mit nur wenigen Detailabweichungen in der Cranach-Werkstatt im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts erklärbar.