Kulturhof zum Güldenen Krönbacken
In den Häusern und auf dem Hof geht es so lebendig her wie vielleicht noch nie. Seit der baulichen Wiederherstellung zwischen 1990 und 1994 (einschließlich Teilen der Hofanlage und des Funktionsanbaus) hat der als Galerie genutzte Waidspeicher im hinteren Hofbereich im Verbund mit dem derzeit noch unsanierten Vorderhaus – dem eigentlichen Haus zum Güldenen Krönbacken – durch anspruchsvolle Ausstellungsprojekte und zunehmende Aktivitäten ein stetig wachsendes Publikum gewonnen. Zur Zeit bietet die Galerie mit 10 bis 14 Ausstellungen jährlich ca. 100 Künstlern und Künstlerinnen ein Podium. Der Hof wird u. a. genutzt für die Lange Nacht der Museen, das Krämerbrückenfest im Juni, das Kino Open Air vom Kinoklubs Hirschlachufer – 1975 wurde es als eines der ersten Programmkinos in der DDR gegründet – und dem Adventssingen zur Weihnachtszeit.
Das Profil ist 1995 durch die Configura (internationale Kunstausstellung) bekannt geworden. Seit Januar 1996 werden die Galerie sowie der Kulturhof von der Kulturdirektion der Stadtverwaltung Erfurt betrieben.
Durch die Dominanz des einprägsamen historischen Bauensembles werden bevorzugt Ausstellungen mit Installationen und Skulpturen, großformatiger Malerei und Videokunst präsentiert, aber auch für die angewandte Kunst ist die Galerie Waidspeicher ein etablierter Ort.
Der Hofraum entspricht dieser Nutzung einerseits als Demonstration verschiedener Gewerke, andererseits als sommerlicher Bühnenraum für Konzert, Kino und Kabarett, Performance und Puppenspiel, Theater und Tanzveranstaltungen.
Waid war einstmals der Reichtum unserer Stadt; Waidanbau und Waidhandel prägten vom 13. bis 16. Jahrhundert das Wirtschaftsleben in Thüringen. Die gelbblühende Kulturpflanze Färberwaid (lateinisch: Isatis tinctoria), biologisch verwandt mit dem Indigo, der später dem Waid erfolgreich Konkurrenz machte, war die wichtigste farbstoffliefernde Pflanze im mittelalterlichen Europa – damals auch als das „Goldene Vlies Thüringens“ bezeichnet. Von Klima und Bodenbeschaffenheit begünstigt, entstand vor allem im 14. bis 16. Jahrhundert zwischen Erfurt, Langensalza, Gotha, Arnstadt und Weimar ein ergiebiges Anbaugebiet. In den Städten, vor allem aber im verkehrsgünstig am Knotenpunkt großer Ost-West- und Nord-Süd-Handelsstraßen gelegenen Erfurt, wurden Speicher errichtet. Dort lagerten zur weiteren Verarbeitung die Waidhändler die von den Waidbauern erworbenen Ballen – handgroße, aus der Pflanzenmasse geformte Kugeln, für die zunächst in Waidmühlen die Waidblätter zerdrückt wurden. Über mehrere langwierige Arbeitsstufen wurde der Waid aufbereitet, d. h. unter Hitze und Dampf fermentiert und zu Waidpulver zerrieben, das schließlich in Fässern zum Verkauf angeboten wurde. Da durch Zusätze von Kleie, Krapp und Pottasche der gewonnene Farbstoff unterschiedlichste Töne von Blau, Grün, Braun und Schwarz erzeugen konnte – entsprechend den Standesvorschriften vor allem von Bürgern und Bauern getragene Farben, der importierte Purpur war dem Adel vorbehalten – galt Waid damals fast als Universalfarbstoff und wurde mit Gold aufgewogen.
Nach dem Sieg des preiswerteren, weil ergiebigeren Indigo und der chemischen Farbstoffe wie dem Indigonachfolger Indanthren, ging der Waidanbau und -handel als Quelle Erfurter Bürgerreichtums kontinuierlich zurück und wurde 1912 bis auf weiteres eingestellt. Engagierte Thüringer haben sich jedoch seit Jahren erfolgreich darum bemüht, nicht nur die Regionalgeschichte des Waid, dieses umweltfreundlichen Farbstoffs wieder aufzunehmen.
Ein Zentrum der Waidforschung befindet sich derzeit in Neudietendorf bei Erfurt, wo bis 1820 die letzte Waidfabrik Europas existierte und 1992 die erste internationale Waidtagung stattfand. In Erfurt gibt es außerdem eine Waidschule und es sind zudem noch zwei Waidspeicher komplett erhalten und öffentlich zugänglich: das Theater Waidspeicher – heute von Puppentheater und Kabarett genutzt – im Quartier Domplatz/Marktstraße und die Galerie Waidspeicher im Kulturhof zum Güldenen Krönbacken Michaelisstraße 10. Dabei wurde bei der Restaurierung des Krönbackenspeichers der inzwischen auch als Holzschutzmittel entdeckte und vor allem bei Neudietendorf (seit 1980) und Wutha/Eisenach in größeren Mengen angebaute Waid verwendet. Die Sanierung hielt zudem die ehemaligen, nach dem Niedergang der Waidwirtschaft auch als Kornspeicher und bis 1989 für die Lagerung von Schreibmaschinen genutzten Räume bewusst frei von Einbauten, um die historische Funktion des Gebäudes auch heute noch erlebbar zu machen; aktuelle Ausstellungskonzepte berücksichtigen nach Möglichkeit ebenfalls diesen Anspruch. Das Dach wurde mit Ziegeln gedeckt, die nach altem Muster eigens dafür angefertigt wurden.
Im ältesten Teil des historischen Stadtkerns gelegen, bildet der Kulturhof Krönbacken in der Michaelisstraße 10 ein Bauensemble, das lebendige Erfurter Stadt- und Architekturgeschichte erzählt und zugleich Reichtum und Kunstsinn der Patrizier dokumentiert, die als Hausbesitzer schon seit dem 12. Jahrhundert an der mittelalterlichen Magistrale in nächster Nachbarschaft der Via regia auch Stadtgeschichte schrieben.
An diesem Ort, zwischen Rathaus, Michaeliskirche und Universität, begegneten christliche und jüdische Mitbürger einander in Glauben und Gelehrsamkeit, im Handel und Wandel. Für das Areal des Krönbackenhofes ist jedoch kein jüdischer Besitz bekannt. Für 1282 gibt es eine Nachricht, dass das Anwesen dem Pfarrer der Michaeliskirche Heinrich Bauso (wohl als Privatperson) und Gottschalk Kerlinger d. Ä. gemeinsam gehören würde. Spuren einer ersten Bebauung führen bis zum Ende des 12. Jahrhunderts zurück.
Eine erste steinerne Bebauung um 1200 ist wahrscheinlich, aber nicht eindeutig nachzuweisen. Die älteste sicher einzuordnende erhaltene Bausubstanz sind die Umfassungswände des Kellers und des vorderen Teils des Erdgeschosses. Sie stammen von einem mittelalterlichen Steinbau, der anhand der Deckenbalken wohl auf 1267 (d) datiert werden kann und wahrscheinlich noch über ein Obergeschoss, eventuell in Fachwerk, verfügte.
Diesem Steinbau hat man in den Jahren nach 1326 zwei Fachwerkgeschosse einschließlich Dach in Ständerbauweise aufgesetzt. Die Holzstütze im Erdgeschoss mit den gotischen Verzierungen ist stilistisch in das 14. Jahrhundert einzuordnen und gehört möglicherweise ebenfalls zu dieser Bauphase. 1500 wurde die Dreifaltigkeitskapelle – nach ihrem Stifter auch Laasphe-Kapelle genannt – an die Michaeliskirche angefügt und mit dem Haus zum Güldenen Krönbacken durch eine gemeinsame Bruchsteinmauer verbunden, ohne dass das Grundstück des Krönbackens Eigentum der Kirche war, lediglich von 1682 bis 1690 war der Hof im Besitz der Michaeliskirchgemeinde.
Noch zu Zeiten der über vier Jahrhunderte anhaltenden Vertreibung der Juden aus der Stadt (bis 1454) kamen Haus und Hof 1431 in das Eigentum der berühmten Erfurter Patrizierfamilie von der Sachsen, die offenbar auch 1469 den Speicher im hinteren Hofbereich errichten ließ. Nachfolgend nennt die Besitzerchronik für das Haus zum Güldenen Krönbacken bis zu den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts zahlreiche stadtbekannte Familien (u. a. Milwitz und Nacke), teilweise war es gemeinsames Eigentum mit dem Nachbarhaus Zum weißen Kreuz (Michaelisstraße 9).
Die Bedeutung des Hausnamens ist bis heute nicht eindeutig geklärt.
Vermutet wird wie bei vielen anderen Hausnamen in der Stadt ein biblischer Ursprung: Neben der Bezeichnung „Zum Kren(n)(e)backen“, „Krähnbacken“ oder „Kühnbacken“ dominiert „Zum Kinbacken“, was auf den Helden Simson aus dem Alten Testament zurückgeführt wird, der die Feinde mit einem Esels-Kinnbacken niedergeschmettert haben soll (Altes Testament, Buch der Richter 15,15f). Ein Hauszeichen ist jedoch nicht bekannt. Es bleibt also noch manches zu ergründen.
Das Vorderhaus an der Michaelisstraße fällt durch seine zwischen 1994 und 1999 schrittweise restaurierte Fassade mit einem reliefgeschmückten, wappengezierten Sitznischenportal aus der Mitte des 16. Jahrhunderts auf. Über dem noch an der Gotik orientierten, spitzbogenförmigen Hoftor von 1534 erhebt sich ein zweigeschossiger Fachwerksüberbau von 1563. Wesentliche Umbaumaßnahmen während der langen Baugeschichte formten den heute erkennbaren Renaissancecharakter des Hauptgebäudes an der Straßenseite: Wie bei weiteren Portalen und Fenstereinfassungen dieser Zeit in Erfurt tragen korinthische Säulen einen dreieckigen Tympanon.
Besonders ausdrucksstark sind die fast vollplastisch ausgearbeiteten Sandsteinreliefs der Wappen des Hausbesitzers – seit 1569 der Waidhändler und Nachfahre eines Rektors der Erfurter Universität, Ilgen von Milwitz, und seiner Frau Anna Schwanfoglin –, die ebenso wie die gesamte Fassade bemalt gewesen sind, was sich aus den aufgefunden Farbresten schließen lässt.