Große Nerly-Ausstellung eröffnet im Angermuseum

07.11.2024 17:03

Im Angermuseum wird am 16. November um 16:00 Uhr die Ausstellung „Friedrich Nerly – Von Erfurt in die Welt“ eröffnet, die bis zum 23. Februar 2025 mehr als 200 Werke des in Erfurt geborenen Künstlers zeigt.

„Friedrich Nerly – Von Erfurt in die Welt“

Bild: Abendstimmung in Venedig mit Santa Maria della Salute, 1840er-Jahre, Öl auf Papier, 27,6 x 47,8 cm Bild: © Angermuseum Erfurt/Inv.Nr. 3377

Kein anderer deutscher Maler verwandelte das Venedig-Bild im 19. Jahrhundert derart nachhaltig wie der aus Erfurt stammende Landschaftsmaler und Wahlvenezianer Friedrich Nerly (1807–1878), dessen Atelier über Jahrzehnte zur ersten Anlaufstelle für die aus aller Welt eintreffenden Venedig- Enthusiasten wurde. Kaum jemand weiß, dass seine Bilderfindungen noch heute unsere Wahrnehmung dieser außergewöhnlichen Stadt prägen. So hat sich die große Ausstellung „Friedrich Nerly – Von Erfurt in die Welt“ die Neuentdeckung des für lange Zeit nicht entsprechend seiner Bedeutung gewürdigten Malers zum Ziel gesetzt.

Einführung zur Ausstellung

Bild: Die Piazzetta in Venedig bei Mondschein, 1838, Öl auf Leinwand, 75,0 x 102,2 cm Bild: © Angermuseum Erfurt/Inv.Nr. 3019

Friedrich Nerly in Venedig – Ein Pionier und Trendsetter

Seinen großen Erfolg verdankte Nerly der Entwicklung der Lagunenstadt zu einer der ersten touristisch geprägten „Weltstädte“. Zu seiner Zeit rückte an die Stelle ihrer einstigen wirtschaftlichen und politischen Macht ihre neue Attraktivität als Stadt der Reisenden. Nerly verstand es virtuos, sich in der nun immer stärker global handelnden und kommunizierenden Welt zu behaupten, die mehr und mehr den Gesetzen des freien Marktes folgte. Als ein Vorläufer des modernen Künstlers trat er aus den exklusiven Auftragsbeziehungen heraus und verwandelte als deutscher Romantiker die Ikonografie der Lagunenstadt grundlegend. Erfolgreicher als die einheimischen Vedutenmaler, konnte er mit seinem großen Talent die Sehnsüchte der Reisenden nach gemalten Erinnerungstücken erfüllen – vom preußischen König bis zum neuen Typus des Global Players. Hierfür erweiterte er den venezianischen Bilder-Kanon, indem er von seinen Exkursionen in die Weite der Lagune neue atmosphärische Ansichten und atemberaubende Sonnenuntergänge über der spiegelnden Wasserfläche zurückbrachte. Keiner anderen Bilderfindung verdankte er aber seinen Ruhm derart weitreichend wie der Erfindung der „Piazzetta in Venedig bei Mondschein“, mit der ihm ein früher Welterfolg gelang. Im Verein mit Literaten und Musikern von Weltrang, wie dem englischen Exilanten Lord Byron und dem spätromantischen Komponisten Richard Wagner, verwandelte Nerly mit seinen bald berühmten venezianischen Mondscheinbildern die Lagunenstadt in einen Sehnsuchtsort der europäischen Romantik.

Nach mehrjährigem Forschungsprojekt – Erste große Nerly-Ausstellung im Angermuseum

Vor fast 140 Jahren führte die Schenkung seines künstlerischen Hauptnachlasses zur Gründung des späteren Angermuseums. Als Ergebnis eines mehrjährigen Forschungs- und Restaurierungsprojekts kann die große Ausstellung erstmals und mit vielen unbekannten Werken Nerlys künstlerische Wege neu entfalten. Die Ausstellung rekonstruiert aus dem reichen Erfurter Bilder-Schatz heraus ein umfassendes Bild seiner ungewöhnlichen Lebensreise, seiner einstigen internationalen Strahlkraft und seiner Rolle an der Schwelle zur Moderne. Eine Vielzahl noch nie ausgestellter Ölstudien und Pinselzeichnungen gewähren Einblicke in Nerlys kühne Malpraktiken, mit denen er bereits während seiner römischen Jahre auf den Impressionismus vorgreift. Aufgrund seiner frühen Ölstudien, von denen sich im Erfurter Bestand herausragende Beispiele finden, wird Nerly schon lange zu Recht als ein führender deutscher Freilichtmaler geschätzt. Bereits kurz nach seiner Ankunft in Rom im Jahr 1828 schuf er in Tivoli, Olevano oder Subiaco kleine Meisterwerke von verblüffend moderner Brillanz. Dass es ihm aber auch gelang, mit seinen venezianischen Mondscheinbildern eine zentrale Idee der deutschen Romantik erfolgreich in die Welt zu tragen, wurde bislang weder entsprechend gewürdigt noch erforscht.

200 Werke gewähren Einblicke in Nerlys kühne Malpraktiken

Die große Erfurter Ausstellung wird unsere Sichtweise auf Nerly entscheidend verändern. Nicht nur in Rom, sondern auch während seiner über Jahrzehnte andauernden Erfolgsjahre in Venedig übernahm er die Rolle eines Pioniers und Trendsetters: Er verstand es, sich im einzigartigen Setting der Lagunenstadt einfallsreich zu inszenieren, und knüpfte an seine in Rom entwickelte innovative Ästhetik an. Gleich seiner römischen Jahre wird er uns auch während seiner venezianischen Zeit als früher Freilichtmaler begegnen, der bei Tag und Nacht kleine Malereien von großer Modernität schuf.

Präsentiert werden im Angermuseum Erfurt rund 200 Werke aus dem bedeutenden Nerly-Nachlass, die in den letzten Jahren durch sorgfältige restauratorische Maßnahmen ertüchtigt werden konnten. Hervorzuheben sind das glückreiche Wiederauffinden und die umfangreiche Restaurierung eines Hauptwerkes, „Schwäne verteidigen ihr Nest gegen eine Schlange“, das auf einer zentralen Bildidee aus der römischen Zeit basiert. Im Verein mit wertvollen Leihgaben großer deutscher Museen aus Bremen, Hamburg, Berlin und Düsseldorf sowie bedeutender Gemälde aus Privatbesitz bieten diese so zahlreich wiedergewonnenen Gemälde, Ölstudien und Zeichnungen überraschend neue Zugänge zu dem bislang verkannten Romantiker.

Sektionen der Ausstellung

Bild: Kloster im Gebirge bei Subiaco, um 1833/35, Öl auf Papier, 35,1 x 51,5 cm Bild: © Angermuseum Erfurt/Inv.Nr. 3085

Friedrichs Nerlys Malerei verdankte ihre damalige Modernität in Vielem der neuen Mobilität des Jahrhunderts. Aus ihr und den aktuellen Perspektiven der Kulturtransferforschung ergeben sich so zentrale Fragen der Ausstellung, welche Bildideen Nerly aus Deutschland als der führenden Nation der Romantik mitbrachte und welche neuen künstlerischen Eindrücke er im strahlenden Licht des Südens fand. Um sich dem Phänomen Nerly als einem der erfolgreichsten Maler der Zeit anzunähern, gilt es, das Entstehen einer neuen Reisekultur mitzudenken. Nur so können die Souvenir- und Bildersehnsüchte seines Jahrhunderts verstanden werden und damit Nerlys serielle „Bild-Produktion“, die auch der Bestand des Angermuseums widerspiegelt.

Sein Unterwegssein im Sinne des neuen Ideals vom Landschaftsmaler als Reisekünstler bestimmt auch die Abfolge der Sektionen. Vielfältige neue Erkenntnisse ermöglichen es, Nerlys Werk seinen Lebensstationen zuzuordnen und ihm damit zugleich seinen Platz in der Kunst seiner Zeit zu sichern.

Sektion 1: Lehrjahre bei Carl Friedrich von Rumohr und Aufbruch nach Italien (1823–1828)

Den Ausstellungsauftakt bilden Nerlys Lehrjahre bei dem einflussreichen sowie bestvernetzen Kunstpädagogen und Reisenden Carl Friedrich von Rumohr (1785–1843). Aus dem in Erfurt geborenen Christian Friedrich Nehrlich wäre sicherlich nicht einer der führenden Freilichtmaler in Rom und der berühmteste deutsche Maler in Venedig geworden, wäre der 16-jährige Halbwaise nicht von Rumohr entdeckt worden. Anhand teils noch nie ausgestellter Werke wird gezeigt, dass er bereits während seiner Lehrjahre in dem innovativen Medium der Ölstudie unmittelbar vor dem Naturmotiv malte. Noch weitaus entscheidender sollte ihn Rumohr zur Abrundung seiner Ausbildungszeit mit auf Reisen nehmen und 1828 nach Italien führen. Dorthin strebten fast alle jungen Landschaftsmaler, im Unterschied zu diesen sollte Nerly aber nicht mehr in seine Heimat zurückkehren.

Sektion 2: Im Kreis der frühen Freilichtmaler in Rom (1828–1835)

Ein besonderer Schwerpunkt der Ausstellung wird auf Nerlys Jahren im Kreis der deutschen Freilichtmaler in Rom liegen, von der sich in Erfurt neben einem umfangreichen Korpus an Zeichnungen besonders qualitätvolle, bildhaft ausgeführte Ölstudien befinden. Nachdem er im Dezember 1828 in Rom eingetroffen war, verbrachte der hochbegabte Nerly sechs Jahre in dieser Stadt und entwickelte sich schnell zum bedeutenden Vertreter früher Pleinairmalerei.

Mit dem Forschungsprojekt und nun mit der Ausstellung können die von ihm bereisten Orte anhand seiner Ölstudien im Einzelnen nachvollzogen werden, sodass jetzt zahlreiche neue Ergebnisse zu einer genauen topografischen Verortung des Werkes vorliegen. Nach seiner Ankunft in Rom bricht Nerly bereits im darauffolgenden Sommer auf seine erste größere Exkursion über Tivoli und Subiaco nach Olevano auf. Während Tivoli, aber auch Albano oder Arricia, die Nerly ebenfalls für intensive Studienaufenthalte immer wieder aufsuchen sollte, bereits seit Langem zu den beliebten Motiven der Landschaftsmaler zählten, entwickelten sich Olevano und Civitella zu seiner Zeit aufgrund der Vielfalt der Naturmotive vom Geheimtipp zu einem der häufigen Studienziele der immer größer werdenden Gemeinde der frühen Freilichtmaler. Daneben bereiste Nerly ab 1831/32 regelmäßig Italiens Küsten, besonders das 100 Kilometer südöstlich von Rom gelegene Terracina sowie die Region um Neapel und Sorrent und schließlich sogar Sizilien.

Sektion 3: Nerlys venezianische Erfolgsjahre (1837–1878)

Nerlys große Lebensreise mündete in Venedig als der erblühenden „Weltstadt der Reisenden“. Begeistert von der Lagunenstadt, zu der schon Goethe schrieb, dass sie „nur mit sich selbst“ zu vergleichen sei, und bestärkt durch erste große Verkaufserfolge, entschied er sich 1838, seine geplante Heimreise nach Deutschland nicht weiter fortzusetzen. Im Unterschied zu anderen deutschen Landschaftsmalern seiner Generation oder etwa den englischen Romantikern William Turner und John Ruskin wurde Nerly in dieser einzigartigen Stadt für immer sesshaft. Noch heute kann man sein Grab auf der Friedhofsinsel San Michele besuchen.

Die Ausstellung wird im Einzelnen darstellen, wie und unter welchen Voraussetzungen Nerly zum berühmtesten ausländischen Maler – zum „celebre pittore a Venezia“ – werden konnte. Schon bald verehelichte er sich mit einer Venezianerin aus „gutem Hause“ und residierte über vier Jahrzehnte als früher „Malerfürst“ im altehrwürdigen Palazzo Pisani. Hier empfing Nerly in seiner Atelierwohnung über den Dächern illustre Gäste wie den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. oder den späteren Zaren Alexander II. Als gewandter Gastgeber begrüßte er die eintreffenden Besucher allabendlich im Caffè Florian am weltberühmten Markusplatz und führte sie als kundiger Cicerone durch „seine“ Stadt und damit werbewirksam durch seine Bildmotive. Bald konnte man von Nerlys großem Erfolg auch in den internationalen Gazetten lesen oder seine neuartigen Venedig-Bilder, die er auf seinen Streifzügen zu den unterschiedlichsten Tageszeiten in und um Venedig entdeckte, auf den großen Ausstellungen in London, Berlin oder München bewundern. Er wurde mit Aufträgen überhäuft, sodass er viele seiner Bilderfindungen für die Reisenden in immer neuen Varianten wiederholte.

Während Nerly in Briefen darüber klagte, dass er aufgrund einer Vielzahl von Bestellungen selbst keine Zeit mehr für große Reisen finden würde, reisten an seiner Stelle nun seine Bilder in die Welt. Ohne die neue Reisekultur wäre er nicht das geworden, was er als der berühmteste ausländische Maler in Venedig schließlich wurde. Seinen Welterfolg der „Piazzetta in Venedig bei Mondschein“ wiederholte er in 36 Versionen, von denen die Ausstellung erstmals drei bedeutende Fassungen vereinen kann.

Begleitprogramm

Vortrag mit Podiumsgespräch

6. Januar 2025, 18:30 Uhr

Florian Illies: „Die Erfindung des Augenblicks“. Friedrich Nerly und die deutsche Ölstudienmalerei der 1820er Jahre in Italien
Podiumsgespräch: Florian Illies und Prof. Dr. Bernhard Maaz (Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München)

Vortragsreihe

Jeweils Dienstag, 18:00 Uhr

November/Dezember 2024

26. November: Dipl.-Rest. Karin Kosicki (Erfurt):
Kunsttechnologische Untersuchungen, Konservierung und Restaurierung der Ölstudien und Gemälde von Friedrich Nerly

3. Dezember: Thomas von Taschitzki M.A. (Kurator, Angermuseum Erfurt):
Friedrich Nerlys Hauptwerk „Der Winzerzug auf dem Monte Circello“

Januar/Februar 2025

14. Januar: Dr. Claudia Denk (Gastwissenschaftlerin und -kuratorin, Angermuseum Erfurt):
Friedrich Nerly und die Erfindung der Nacht in Venedig

4. Februar: Rieke Dobslaw M.A. (Universität Göttingen): Das venezianische Ottocento zwischen Verlust und „Erneuerungswut“: Friedrich Nerlys Aquarell des Fondaco dei Turchi

18. Februar: Dr. Christine Follmann (Kuratorin, Staatsgalerie Stuttgart):
Friedrich Nerly als Kunstagent des württembergischen Königs Wilhelm I.

Artist Talk

Jeweils Dienstag, 18:00 Uhr

10. Dezember 2024: Matthias Geitel (Künstler, Berlin):
Kunst, Wandern, Zeichnen

28. Januar 2025: Noemi Schneider (Schriftstellerin, München):
Sehnsucht Venedig – eine Erfindung des 19. Jahrhunderts?

Führungen 2024/25

Treffpunkt Foyer

Kuratorenführungen

Mit thematischer Ausrichtung zum Erfurter Nachlass, zu Nerlys Reisen, seiner frühen römischen Zeit und seinen Erfolgsjahren in Venedig sowie mit Einblicken in die Restaurierungen

Sonntag, 11:00 Uhr: 24.11., 12.01., 19.01., 26.01., 23.02.
Donnerstag, 16:00 Uhr: 06.02.
Dienstag, 16:00 Uhr: 17.12., 21.01., 11.02.

Öffentliche Führungen

Donnerstag, 16:00 Uhr: 21.11., 05.12., 19.12., 09.01., 30.01., 13.02., 20.02.

Sonderführungen nach Vereinbarung
Tel. 0361 655-1652

Kunstpause am Mittag

Jeden Mittwoch, 13:00 Uhr

Vermittlungsangebote der LAG Jugendkunstschulen Thüringen e. V.

Speziell für die Ausstellung entwickelt, richtet sich das künstlerische Vermittlungsangebot mit vielfältigen Formaten und Themen (nicht nur) an das junge Publikum. Von digitalen Inputs über offene Aktivangebote bis hin zu künstlerischen Workshops im „Atelier auf Zeit“ können Besucherinnen und Besucher aller Generationen persönliche Begegnungen mit Friedrich Nerlys Kunst erleben.

Information und Anmeldung unter www.jugendkunstschulen-thueringen.de.

Audioguide

Ein webbasierter Audioguide in deutscher und englischer Sprache lässt sich via QR-Code in der Ausstellung auf die Smartphones der Besucherinnen und Besucher laden und nutzen. Insgesamt 20 Stationen bieten Werkinterpretationen und Hintergrundinformationen.