Elephantographia curiosa. Der Erfurter Kupferstecher Jacob Petrus und sein Beitrag zur barocken Buchkunst
Aufsehenerregend in Europa wurden 1695 in den Travertinsteinbrüchen von Burgtonna im Herzogtum Sachsen-Gotha und Altenburg Skelettteile eines Europäischen Waldelefanten entdeckt. Anfangs als Einhorn identifiziert, folgten die Gelehrten nach kontroversen Diskussionen, in die auch Gottfried Wilhelm Leibniz involviert war, der ersten wissenschaftlichen Beschreibung eines derartigen Fundes durch den Gothaer Historiografen Wilhelm Ernst Tentzel im Jahr 1696. Angeregt durch diesen sensationellen Fund verfasste Georg Christoph Petri von Hartenfels (1633–1718), der als Mediziner drei Jahrzehnte zuvor gegen die Pest in Erfurt angekämpft hatte, seine „Elephantographia Curiosa“. Als Professor und einstiger Rektor der Erfurter Universität, als Politiker und Schriftsteller umgab ihn ein ausgezeichneter Ruf. In seinem Buch trug Hartenfels all das seinerzeit verfügbare Wissen über diese Tiere zusammen. Er beschrieb Physis, Lebensräume und Eigenheiten der Dickhäuter und untersuchte deren Bedeutung in Kultur-, Kriegs- und Religionsgeschichte.
Die „Elephantographia Curiosa“ wurde 1715 in Erfurt gedruckt und gilt als erstes Standardwerk der Elefantenliteratur. Die Popularität dieses Bandes wurde durch 28 ganzseitige Kupferstiche, die die Beschreibungen von Hartenfels illustrieren, enorm gesteigert. Heute gehört die Publikation zu den bibliophilen Kostbarkeiten der frühneuzeitlichen Literaturgeschichte in Deutschland. Drei Kupferstiche sind Kopien nach Elefantendarstellungen des Matthäus Merian d. J., und mehrere Zeichnungen, die den Kupferstichen als Vorlage dienten, schuf Tobias Jakob Hildebrandt d. J. (1651–1719), Mitglied der berühmten Erfurter Malerfamilie. Der ebenfalls ortsansässige Kupferstecher Jacob Petrus übertrug sie kunstvoll auf das Metall und ermöglichte damit eine Vervielfältigung der Serie für die Buchausgabe. Beide Auflagen der Elefanten-Enzyklopädie wurden jeweils von Erfurter Universitätsbuchdruckern hergestellt. Im Jahr 1715 verantwortete Johann Heinrich Grosch (1650–1721) den Druck, im Jahr 1723 dessen Assistent und Nachfolger Johann Michael Funcke (1678–1749).
Nun können die Einzelblätter in einer Ausstellung des Angermuseums bestaunt werden. Bei den fantasievollen Darstellungen liegen Wahrheit und Dichtung nahe beieinander. Die Kupfer thematisieren Anatomie, Wesenszüge, Lebensraum, Kämpfe und Fangmethoden sowie Dressur und Nutzung der Dickhäuter als Reit-, Zug- und Arbeitstiere. Auch der Missbrauch der Tiere als Kampfgiganten in der Arena und auf militärischem Felde wurde illustriert. Beeindruckend ist ein Blatt, dass die Vorstellung vom Aussehen des indischen Gottes Ganesha wiedergibt, dem Weisheit, Kraft und Klugheit zugesprochen wurden: Im Erfurter Entwurf dargestellt als Mensch mit Elefantenkopf und mit den Beinen eines Hirsches.
Mit der Ausstellung werden erstmals die wenigen gesicherten Fakten zu Leben und Werk des Kupferstechers Jacob Petrus beleuchtet. Er wirkte zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Erfurt – und damit zu Zeiten der Errichtung der Neuen Waage, des heutigen Angermuseums. Sein Können setzte Petrus, dessen biografische Stationen nahezu unbekannt sind, in diversen Porträtstichen um, darüber hinaus gibt es Nachweise für eine Tätigkeit in den Bereichen Kartografie, Botanik, Numismatik und Architektur. Jacob Petrus arbeitete mit den namhaftesten Autoren seiner Zeit zusammen, unter ihnen Christoph von Hellwig in Erfurt, Johann Gottfried Gregorii alias Melissantes und Johann Christoph Olearius in Arnstadt, Burkhard Gotthelf Struve in Jena und Christian Wermuth, Medailleur in Gotha. Der Sichtbarmachung dieses spannenden Netzwerkes von Persönlichkeiten aus der Zeit des Barock gilt unsere Aufmerksamkeit ebenso wie ihren Veröffentlichungen. Neben der Elephantographia Curiosa ist mit dem Band „Das jetzt florierende Thüringen“ von 1711 einer der ersten deutschsprachigen Regional- und Reiseführer mit Angaben zur Geschichte, zu Sehenswürdigkeiten und Herbergen (z. B. zum 1696 eröffneten Hotel „Elephant“ in Weimar) zu sehen. Auch der erste gesamtdeutsche Burgenführer kann betrachtet werden: Melissantes‘ „Neu-eröffneter Schauplatz Denck-würdiger Geschichte“ von 1715. Beide Bücher enthalten jeweils eine Abbildung als Frontispiz, gestochen von Jacob Petrus zu Erfurt.
Das Angermuseum Erfurt bewahrt in seiner Grafischen Sammlung 40 Kupferstiche des heute kaum bekannten Jacob Petrus, die erstmals komplett vorgestellt werden. Ergänzt wird die Schau durch wertvolle Leihgaben.
Vielen Dank an folgende Leihgeber für ihre freundliche Unterstützung:
- Heimatmuseum Dornheim, Freundeskreis zur Erhaltung der
- Traukirche von Johann Sebastian Bach e. V.
- Carsten Berndt, Erfurt
- Naturkundemuseum Erfurt
- Universitätsbibliothek Erfurt
- Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt
- Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena
Eröffnung
Donnerstag, 27. September, 18 Uhr, Foyer Angermuseum
Vortrag
Dienstag, 9. Oktober, 19 Uhr
Der Erfurter Kupferstecher Jacob Petrus als Illustrator eines Thüringer Gelehrten-Netzwerkes im Barock
Carsten Berndt, Historiker und Publizist, Erfurt
Der Vortragsredner ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts (DGEJ), Wolfenbüttel. Er wurde 2015 mit dem Mitteldeutschen Historikerpreis in der Kategorie „Biografie“ für seine Forschungen zu Melissantes ausgezeichnet.
Blick hinter die Kulissen
Wochenende der Grafik (10. und 11. November 2018)
Eine Initiative der Grafischen Sammlungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz (www.netzwerk-graphische-sammlungen.com)
Sonnabend, 10. November, 16 Uhr
Ausstellungsrundgang mit Historiker Carsten Berndt, Erfurt
Moderation Cornelia Nowak
Sonntag, 11. November, 11 Uhr
Ausstellungsrundgang mit Grafikdrucker Ernst August Zimmermann, Erfurt
Moderation Cornelia Nowak
Ausstellungsrundgang
Dienstag, 2. Oktober, 17 Uhr
mit Cornelia Nowak
Dienstag, 6. November, 17 Uhr
mit Carsten Berndt
Dienstag, 4. Dezember, 17 Uhr
mit Cornelia Nowak
Dienstag, 18. Dezember, 17 Uhr
mit Carsten Berndt
Kunstpause am Mittag – 10 Minuten Kunstbetrachtung
in den Sonderausstellungen des Angermuseums, mittwochs 13 Uhr (Eintritt frei)
Mittwoch, 24. Oktober
mit Konrad Kürbis, wissenschaftlicher Volontär am Naturkundemuseum Erfurt
Führungen für Schulklassen
mit Kuratorin Cornelia Nowak
Anmeldung (0361) 6551653 oder kunstmuseen@erfurt.de
Grafiksprechstunde
dienstags 17–18 Uhr
Voranmeldung unter (0361) 6551653
Sie können Grafiken aus Ihrem Besitz vorlegen. Wir beantworten Ihre Fragen.