Geist und Farbe – Winifred Zielonka (1929-2017): Eine anthroposophische Künstlerin in der DDR
Das künstlerische Werk der Anthroposophin Winifred Zielonka ist kaum bekannt. Mit einer retrospektiven Werkschau stellt das Angermuseum Erfurt erstmals ihre Arbeiten in einem musealen Kontext vor.
Ausgebildet an der Landesschule für angewandte Kunst Erfurt (1949-1952) und an der Hochschule für Bildende Künste Dresden (1952-1953/55) arbeitete Zielonka seit 1958 freischaffend in Erfurt – kontinuierlich beobachtet von den Organen der Staatssicherheit der DDR. Eine Mitgliedschaft im Verband Bildender Künstler blieb ihr verwehrt – und damit die Chance, als Bildhauerin und Zeichnerin öffentlich wahrgenommen zu werden. Diese Anerkennung wurde ihr erst in den 1990er Jahren zuteil.
Schon in jungen Jahren war ihr Wirken von der Anthroposophie als Geisteswissenschaft beeinflusst. Ausgehend von den Anschauungen Rudolf Steiners entwickelte sie ein auf Erkenntnis und Transzendenz ausgerichtetes, alternatives Kunstkonzept, wobei sie privat das Leben einer feingeistigen bürgerlichen Persönlichkeit führte, soweit ihr das möglich war.
Widmete sich Winifred Zielonka in ihrem Frühwerk der Metallbearbeitung und der Bildhauerei, fand sie die ihr gemäße künstlerische Sprachform schließlich in der Pastellmalerei, später auch in der Gestaltung von bleiverglasten Bildwerken. Dabei bewegte sie sich zwischen figurativen und abstrakten Formfindungen, lotete Raum und Fläche aus, analysierte Bewegung und Rhythmus, vor allem aber kultivierte sie das Verhältnis von Farbe und Licht. Sie zeichnete mit Wasserfarben, Buntstiften, Öl- und Pastellkreiden auf unterschiedlichste Papiere, entwarf transluzide, leuchtende Bildwelten in überwiegend hellen, freundlichen Farbklängen. Neben Landschaften mit Motiven von der Ostsee bis zum Hochgebirge, abstrahierten Wolkenbildern, geometrischen Kompositionen und stilisierten Architekturmotiven entstanden Porträts und Figurenstudien. Ihre Themen und Motive fand sie in der Natur, in zwischenmenschlichen Beziehungen und in ihrer spirituellen Lebenspraxis. Das bewusste Sehen, das Hineinspüren in das Gesehene war eine zentrale Grundlage ihrer Arbeit. Eine Sonderstellung in ihrem Schaffen bilden anthroposophisch motivierte Arbeiten, darunter der aus Gips gestaltete Kopf des „Ahriman“ als eine Verkörperung des Bösen im Kontrast zu Pastelldarstellungen von Luzifer, einer falschen Heilsgestalt.
Winifred Zielonka legte großen Wert auf Achtsamkeit als Lebensprinzip. Dies äußerte sich in Sprache, Bewegung, Kleidung, Wohnumwelt, in der Gestaltung ihres Alltags, beim Praktizieren von Ritualen, beim Meditieren, Zeichnen, Spazierengehen, Sammeln. Ihre persönlichen Kollektionen umfassen geologische Artefakte, kunsthandwerkliche Gegenstände wie Glas- und Metallobjekte, Schmuck bis hin zu Gefäßen aus Holz und Stein. Der ideelle Wert der Dinge ergab sich für sie aus der Kombination von Material, Form, Farbigkeit und Oberflächenanmutung. Ihre Lebenserfahrungen und Welteinsichten gab die Künstlerin gern als Therapeutin und Lebensberaterin weiter, ohne jedoch in diesem Bereich eine Autorisierung anzustreben.
Einblicke in ihr Kunst- und Lebenskonzept gestattet nun eine Auswahl aus mehr als 600 Arbeiten auf Papier, Metallarbeiten, Skulpturen und Glasbilder, ergänzt um Werke aus ihren Sammlungen, die in der Ausstellung korrespondierend vorgestellt werden. Die meisten Objekte gehören zum Nachlass der Künstlerin, der im Angermuseum aktuell erschlossen und auch publiziert werden wird.
Zur Ausstellung erscheint im Mitteldeutschen Verlag eine monografische Publikation mit Texten von Viola Baser, Reinhold J. Fäth, Günter Kollert, Jutta Lindemann, Cornelia Nowak, Kai Uwe Schierz, Gabriele Stötzer und Ulrike Wiederhold, zahlreichen Abbildungen und insgesamt ca. 200 Seiten. Die Gestaltung übernahm Gerd Haubner.
Winifred Kellner wurde am 6. August 1929 in Gotha geboren. Nach ihrem Gymnasialabschluss trat sie 1947 als Volontärin in das Atelier eines Gothaer Bildhauers ein. Zwei Jahre später wurde sie an der Meisterschule für angewandte Kunst in Erfurt (Am Hügel 1) aufgenommen. Dort studierte sie zunächst bei Peter Mayer, dem Leiter der Fachschule, in der Klasse der Gürtler und experimentierte mit verschiedenen Techniken der Metallbearbeitung. Als 1950 eine Klasse für Baukeramik eröffnet wurde, vertiefte sie ihre Fähigkeiten im plastischen Gestalten, denn sie wollte Metallbildhauerin werden.
Die Künstlerin wuchs in einer protestantischen Familie auf, doch bestärkte sie die Begegnung mit Peter Mayer, der anthroposophischen Weltanschauung dauerhaft zu folgen. Zudem fürchtete sie die damals gängigen politischen Verhöre von Studierenden, die einer christlichen Gemeinschaft angehörten, und trat 1952 aus der Evangelischen Kirche aus. Später schloss sie sich der Christengemeinschaft an.
Auf Empfehlung des Malers und Grafikers Otto Knöpfer, Dozent an der Erfurter Meisterschule, bewarb sie sich 1952 an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden. Bei Walter Arnold absolvierte sie das Grundstudium im Bereich Plastik. Als Anthroposophin blieb sie auch an der Dresdner Kunstakademie nicht von Bespitzelungen verschont – mit der Folge, dass ihr der volle Studierendenstatus aberkannt wurde. Sie durfte die Hochschule nur noch als Gasthörerin besuchen und nutzte diese bescheidene Möglichkeit bis 1955. Die Chance auf einen akademischen Abschluss blieb ihr verwehrt. Nach der Heirat mit dem Geologen Georg Zielonka (1913-2002), der Geburt des Sohnes Ragnar Raphael (1957-1975) und dem Eintritt in die Anthroposophische Gesellschaft 1957 zog die Familie 1958 nach Erfurt um. Ihre Wohnung in der Reichartstraße wurde alsbald zu einem Ort der Begegnung für Anthroposophen aus der gesamten Republik, und Winifred Zielonka war darauf bedacht, ihren Zirkel durch Vorträge und Kurse zu bereichern. Mit derart „illegalen“ Betätigungen geriet die Familie erneut in den Fokus der Staatssicherheit: Georg Zielonka wurde 1962 verhaftet und wegen „ideologischer Diversionstätigkeit und staatsgefährdender Propaganda und Hetze“ angeklagt und verurteilt.
Die nachfolgenden Jahre gestalteten sich für die Familie schwer. Ein Lichtblick war die Einladung Peter Peinzgers 1978 zur Einzelausstellung in seiner privaten „Galerie im Flur“ in Erfurt (Anger 41). Es war ihre erste und einzige Einzelausstellung in der DDR, mit der sie eine alternative städtische Öffentlichkeit erreichte. Motivische und inhaltliche Impulse für ihre Arbeit sammelte die Künstlerin auf zahlreichen Reisen nach Polen und Italien. Erwähnenswert ist, dass sie bereits in den Jahren der DDR über die Bundesrepublik illegal ins schweizerische Dornach reiste und dort das Goetheanum besuchte. Nach 1989 wurde Winifred Zielonka Mitglied in der ersten Klasse des Goetheanums und gehörte fortan zu einem privilegierten Kreis in der Anthroposophischen Gesellschaft. Im Jahr 2002 erfolgte auf Grundlage der bundesdeutschen Gesetzgebung die vollständige Rehabilitierung des Ehepaares Winifred und Georg Zielonka. Später stellte die Künstlerin ihre Werke mehrfach in Thüringen und Erfurt aus, unter anderem anlässlich ihres 75. Geburtstages in der städtischen Galerie im Haus Dacheröden. Das Angermuseum Erfurt nahm 2012 mehrere Pastelle der Künstlerin in die Grafische Sammlung auf. Im Jahr 2015 fand sie im Rahmen der Ausstellung „Aenigma – Hundert Jahre anthroposophische Kunst“ (Halle/Saale) überregionale Beachtung.
Winifred Zielonka starb am 17. August 2017 nach langer Krankheit in Erfurt.
Eröffnung der Ausstellung
Donnerstag, 15. Februar 2018, 18 Uhr
Ausstellungsrundgang
Dienstag, 27. Februar, 17 Uhr und Sonntag, 18. März, 15 Uhr
mit Kuratorin Viola Baser
Dienstag, 17. April, 17 Uhr
mit Kuratorin Cornelia Nowak
Themenabend
Dienstag, 6. März, 18 Uhr
„Was ist eigentlich Anthroposophie?“
Prof. Dr. Kai Uwe Schierz im Gespräch mit Günter Kollert, Erfurt
Buchpräsentation
Dienstag, 24. April, 18 Uhr
„Geist und Farbe – Winifred Zielonka“: Das Buch zur Ausstellung
vorgestellt von Viola Baser und Cornelia Nowak
Führungen für Schulklassen
mit Kuratorin Cornelia Nowak
Anmeldung unter Tel. 0361 6551653 oder info@angermuseum.de
Kunstpause am Mittag - 10 Minuten Kunstbetrachtung
mittwochs, 13 Uhr (Eintritt frei)
Grafiksprechstunde
dienstags 17-18 Uhr,
Voranmeldung unter Tel. 0361 655 1653
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