Zusammenschluss für Raumfragen (ZfR) – "meine Füße unter deinem Tisch"
Zur Ausstellung
Die Ausstellung in der Galerie Waidspeicher, zeigt auf 450 qm erstmalig Einzel- und Gemeinschaftsarbeiten des 2018 gegründeten Künstlerinnen-Kollektivs Zusammenschluss für Raumfragen (ZfR) im musealen Kontext.
Ein tickender Sekundenzeiger, der nicht von der Stelle kommt – mit Tusche gezeichnete Liniensysteme – aus vervielfältigten Schnittmuster-Elementen entwickelte Objekte: In verschiedenen Medien zuhause, verbindet die fünf Künstlerinnen von ZfR das Interesse für Wiederholungen, Ordnungssysteme und Alltagsdrehbücher. Das scheinbar Einfache und Vertraute wird neu inszeniert. In der Gesamtschau entsteht ein Bild feiner Komplexität und subtiler Irritation.
Die inhaltliche und formale Verwandtschaft der künstlerischen Positionen mündet zunehmend in kollaborativen Arbeiten. So wird das Aufeinander-Abfärben und In-Resonanz-Treten künstlerischer Haltungen für die Besucherinnen und Besucher sichtbar.
Zur Ausstellung erscheint eine gemeinsam entwickelte Publikation. Die Form der Publikation nimmt das Ineinandergreifen der einzelnen künstlerischen Positionen auf: Fünf Leporellos werden zu einem Buch zusammengeführt und können immer wieder neu kombiniert werden.
Die Ausstellung wird gefördert von
- Kulturstiftung Thüringen
- art now gallery
- Zonta Club Erfurt
- Leipziger Spirituosen Manufaktur
Die Künstlerinnen
Gala Goebel
Es gibt kein unangebrachtes Handeln. Utopische Vorhaben, fehlerhafte Handlungsanweisungen und unsinnige Gebrauchsweisen lassen uns Dinge erst anders sehen und fordern somit eingeschriebene Drehbücher heraus. Der Körper als Stellvertreter eines Ichs kann neu sehen und neu gesehen werden, ohne dabei nicht mit mindestens einem Auge zu zwinkern. Der Fehler als Methode. Das ungewohnte Handeln als Weg. Das Scheitern ist in jedem Fall vorprogrammiert, doch die Hoffnung auf einen heiteren Erkenntnisgewinn ist nicht aufzugeben!
In der Welt der festen Zuschreibungen, der Einschreibungen, gleichzeitig in einer Masse an Informationen und Richtungen, destilliere ich anhand kleiner Momentaufnahmen/ mikroskopischer Akte einzelne Situationen um diese isoliert zu betrachten. Die Überforderung gebiert Simplizität. Es ist der permanente Versuch, der visuellen und inhaltlichen Flut der Umwelt (einer Art Umweltkatastrophe) zu begegnen. Ein Bewältigungsversuch der Überwältigung.
Die Übersetzung der Wirren der Wirklichkeit in eine überschaubare Ordnung kreiert Neues, über das Fehlerhafte, Lächerliche, Langweilige, Simple. Dabei dürfen diese Verschiebungen, die oft aus Übersetzungsschnitzern entstehen, nicht außer Acht gelassen werden, sondern müssen zum Fokus des Ganzen werden. Immer im Bezug auf den/meinen Körper einerseits, zum Ding andererseits, mit dem Ziel einer nicht teleologischen Befreiung beider.
Lucy König
Im Zentrum von Lucy Königs plastischen Arbeiten stehen Grenzbereiche der Körper - in Form von Figuren, Hüllen und Architekturen.
Erweiterte Selbsträume aus Textil und Stein zeichnen ein vielschichtiges Bild der Schnittstelle zwischen Einzelnem und Gesellschaft. Zwischen Enge und Geborgenheit, Voyeurismus und Protektionismus markieren sie unsere persönlichen Grenzen. Königs Plastiken sind ein Gegenüber, sie können Fragen stellen, Behauptungen aufwerfen, sie zeigen sich verletzlich oder bedrohlich. Sie bestehen aus Fasern, sind Gewirke oder Geflechte. Von Zeit zu Zeit interagieren sie mit der Figur, oder werden mit Motoren ausgestattet, um in der Bewegung ihr Eigenleben zu finden.
Indem sie zur nächsten Schicht – dem Haus – vorrückt, verändert sich auch ihr Material. Baustoffe finden Eingang in die Arbeit. König überformt Mauern und macht so die Bedingungen und Spuren des Lebens erahnbar, wie zuvor die Konturen des menschlichen Körpers. Das Haus als kollektiver Körper wirft neue Fragen auf: Nach den Einschreibungen der Handlungen des gelebten Lebens und nach der Funktion von Baukörpern als Erinnerungsspeicher.
Julia Miorin
„Mit der Funktion ist es so, dass jedem Nutzgegenstand eine ziemlich genaue Angabe innewohnt, die sagt, wie man ihn zu verwenden hat. Ein Stuhl, auf den setze ich mich. Vielleicht stelle ich mich auch ‘drauf, nutze ihn als Verlängerung meines Körpers oder ich lege etwas darauf ab. Aber alle diese Handlungen, die ich mit dem Stuhl vollziehe, sind ganz klar einem Nutzen untergeordnet. Ich finde in meinen Arbeiten durch ein räumliches Umdenken heraus, was der Gegenstand noch sein kann – fernab dieses Nutzens, weil mich diese genauen Angaben langweilen. Das Funktionsversprechen, das in der Formen- und Materialsprache meiner Arbeiten liegt, wird nicht eingelöst. Ich befreie die Stühle davon, was sie die ganze Zeit sein müssen.“ (Interviewausschnitt Katalog „This is not a repetition, it‘s a thought on time...“, ZfR, 2019)
In ihren installativen Arbeiten beschäftigt sich Julia Miorin mit der Verortung von Gegenständen. Investigativ untersucht sie die Dinge und deren Forderungen an die Umgebung. Mit minimalen, behutsamen Eingriffen und Modifikationen hinterfragt sie habituelle Systeme, unsere Wahrnehmung und unsere Erwartungen. Die Beobachtung und Verarbeitung von Formen der (Re-)Präsentation und gängigen Displaykonventionen auch musealer Zusammenhänge spielen eine ebenso große Rolle wie die Bezugnahme auf Ordnungssysteme im häuslich-pragmatischen Kontext. Kantinentabletts werden zur kühnen Oberfläche, ein unbeladener Behälter wird selbst gehalten, mobiliarartige Metallkonstruktionen treffen auf ein unscheinbares Sammelsurium des Tagtäglichen.
Luise von Rohden
„Ein Element (Chinatusche), ein Pinselstrich (Flachpinsel), ein Handzug (vertikal, ohne Hilfsmittel), elf Mal wiederholt. Eine simple Komposition flächiger, vertikaler Elemente. Weniger geht kaum. Ausgesprochen oder gelesen klingt das schwer nach Monotonie. Geht man aber vom Hören und Lesen zum Schauen über und betrachtet die zahlreichen Details, offenbart sich das scheinbar Monotone als individuell variierende Handarbeit, lebendige Vielfalt. Denn die elf Tuschestriche wurden mit dem Pinsel in der Hand ausgeführt, ohne Schablone, freihändig. Die Bewegungen des Armes und der Hand verliefen wohl ruhig und gleichförmig; aber nur bis zu einem gewissen Grad, denn Arm und Hand agieren auf natürliche, organische Weise, nicht wie eine Maschine. Die sichtbaren Indizien zeugen von einer einfachen wie konzentrierten menschlichen Handlung, einer Arm- und Handbewegung, die wir in unserer Vorstellung Zug um Zug nachvollziehen können.“ (Kai Uwe Schierz, aus: Handzüge – Luise von Rohden, Erfurt 2020)
Luise von Rohden sucht in ihren Zeichnungen nach Situationen größtmöglicher Reduktion, in denen sich zeigt, wie komplex das scheinbar Einfachste sein kann. In der Reihung von Ähnlichem offenbart sich in einigen Bildserien der Variantenreichtum des einzelnen Pinselstrichs, in anderen legen sich die Liniensysteme zu feinen Strukturen übereinander. Die so entstehenden Bilder changieren zwischen der Ruhe präziser Wiederholung und der Bewegung minimaler Unregelmäßigkeiten.
In neueren Arbeiten erweitert von Rohden ihren konzeptuell gesetzten Rahmen um farbige Tuschen und Papierfaltungen. Übereinander geschichtet und aufeinander abgestimmt bilden die Grundfarben gelb, rot und blau beinahe graue Flächen. Nur durch die Lücken zwischen den Strichen brechen immer wieder leuchtende Farben hervor.
Franziska Paula Wolber
Für meine Installationen und Objekte nutze ich Gegenstände, die mir im Alltag begegnen und erweitere diese um eine leichte Bewegung oder bringe sie mit anderen Objekten zusammen. Es entstehen Bilder aus bekannten Elementen, die in ihrer Kombination oder Gegenüberstellung beginnen eine Handlung auszuführen oder einen Zustand zu illustrieren.
Die Situationen sind von einer märchenhaften Rätselhaftigkeit, scheitern meist an gesetzten Zielen oder versuchen immer wiederkehrende Hürden zu überwinden. Sie erzählen vom Bemühen um etwas, berichten von Abhängigkeiten und Beziehungen. Sie gehen stabile oder fragile Kräftegleichgewichte mit ihrem Umraum ein oder stecken einsam in Schleifen fest.
Zu sehen sind Objekte, die oftmals ein ambivalentes Gesicht zeigen. Sie präsentieren sich dem Betrachter mitunter als zugleich humorvoll und aggressiv oder als fragil aber gefährlich. Einige werfen die Frage danach auf, wer sie manipulierte.