Martin Furtwängler – mehr oder weniger Ich. Malerei, Zeichnung, Grafik, Malerbücher 1976-2022
Zum Künstler
1954 in Karlsruhe geboren, studierte Martin Furtwängler 1972 an der Kunstschule Alsterdamm in Hamburg, von 1973 bis 1974 an der Schule für Werkkunst und Mode in Westberlin und ab 1975 an der Hochschule der Künste in Westberlin, zuerst im Fach Produktdesign, von 1977 bis 1982 Malerei und freie Grafik. Nach einem Jahr im spanischen Altea war er ab 1983 Meisterschüler bei dem 1922 in Erfurt geborenen Maler und Hochschullehrer Gerhard Bergmann.
Stilistisch stand Martin Furtwängler in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren dem Neoexpressionismus jener Malerinnen und Maler nahe, die 1977 die Galerie am Moritzplatz gründeten – Helmut Middendorf, Rainer Fetting, Salomé und Bernd Zimmer. Es ging um das eruptive Ausagieren von Emotionen und die Wiederaneignung der figürlich-expressiven Avantgardekunst im 20. Jahrhundert, wie sie die Brücke- und CoBrA-Maler hervorgebracht hatten. Doch während die Gruppe um die Galerie am Moritzplatz die Rituale der urbanen Club Culture ihrer Zeit zelebrierte, vertiefte sich Furtwängler in die Geschichte der avantgardistischen Kunst und Literatur. Er folgte seinen ausgeprägten literarischen Neigungen, machte gefundene und eigene Texte zum Ausgangspunkt für Malereien, Künstlerbücher und Buchobjekte im Handpressendruck, die in zahlreichen Variationen zu einer besonderen künstlerischen Symbiose von Text und Bild verschmolzen.
Der Mensch begegnet uns in den frühen Bildern als Kreatur und archaisches Wesen. Es gibt kein Porträt, keine konkrete Beobachtung, dafür Menschen und Tiere, die sich frei und nackt im kreatürlichen Fluidum von Mythen bewegen, in einer Traumzeit jenseits unserer konkreten Lebenszeit, immer auf das Allgemeine und Ewig-so-seiende hinweisend, auf das Naturgegebene unserer Existenz: Sexualität, Paarung und Einsamkeit, Aneignung und Anverwandlung. Diese existenzielle Spannweite des Blicks auf unser aller Menschsein prägt sein Werk bis heute. Attribute wie „unangepasst“, „ursprünglich“, „roh“ und „wild“ sind für einen künstlerischen Ansatz zentral, der unter dem Staub des Akademischen nach den Quellen der menschlichen Kreativität gräbt. Der französische Maler Jean Dubuffet prägte für die bildnerischen Ausdrucksformen, die diesen Quellen besonders nahe zu sein schienen, den Sammelbegriff „Art brut“, sinngemäß: rohe Kunst. In den anglo-amerikanischen Ländern hat sich dafür die Bezeichnung „Outsider Art“ etabliert.
Die Ausstellung versammelt eine große Anzahl bislang kaum gezeigter Gemälde und Zeichnungen aus dem Frühwerk von Furtwängler ab 1976, aber auch viele Bilder aus den letzten Jahren und dem aktuellen Jahr. Die Auswahl lädt ein, den roten Faden in dem seit 45 Jahren beständig wachsenden Œuvre zu finden. Der vom Künstler gewählte Titel „mehr oder weniger Ich“ signalisiert den Blick auf sich selbst und in sich hinein, eine Reflexion des eigenen Werks, das sich zwischen subjektiv-existenzieller Geste und Experiment, poetischem und philosophischem Denken entwickelte.
Aus seinem vielfältigen Werk übergab Martin Furtwängler 140 Arbeiten auf Papier als Schenkung an die Grafische Sammlung des Angermuseums. Eine Auswahl aus diesem Konvolut wird nun vorgestellt.
Veranstaltungen
"mehr oder weniger Ich" Künstlergespräch mit Martin Furtwängler
Am Dienstag, dem 14. Juni findet um 18:30 Uhr ein Gespräch mit Künstler Martin Furtwängler und Erik Stephan dem Direktor der Kunstsammlung Jena statt. Die Veranstaltung findet im Rahmen der Ausstellung "Martin Furtwängler – mehr oder weniger Ich. Malerei, Zeichnung, Grafik, Malerbücher 1976-2022" statt.
Rundgang durch die Ausstellung „Martin Furtwängler – mehr oder weniger Ich.“
Zu ausgewählten Terminen finden einstündige Rundgänge durch die Sonderausstellung „Martin Furtwängler – mehr oder weniger Ich. Malerei, Zeichnung, Grafik, Malerbücher 1976-2022“ statt. Treffpunkt ist im Foyer des Angermuseums Erfurt.