MinimalKonsens. Re:Defining Spaces
Zur Ausstellung MinimalKonsens. Re:Defining Spaces
Elementare Formen, serielle Anordnungen, industrielle Materialien und Fertigungsweisen sind Kennzeichen der Minimal Art, die sich in den 1960er-Jahren als Gegenbewegung zum Abstrakten Expressionismus und zur Pop Art entwickelte. Der Begriff Minimal Art beschreibt streng genommen eine vordergründig in Nordamerika entstandene Kunstströmung, die im Bereich Skulptur den bis dato etablierten Kunstbegriff in Frage stellte. Wichtige Vertreterinnen und Vertreter sind Donald Judd (USA), Dan Flavin (USA), Sol LeWitt (USA) und Charlotte Posenenske (DEU). Große Inspirationsquelle war die Malerei der Nachkriegszeit, darunter Agnes Martin (USA), Kenneth Noland (USA) oder Frank Stella (USA), die – wiederum geprägt durch das Bauhaus und DeStijl – mit ihrer Konkreten Kunst, geometrischen Abstraktion beziehungsweise Farbfeldmalerei neue Maßstäbe setzten.
Die Gruppenausstellung MinimalKonsens zeigt eine junge Generation konstruktiv-konkret und minimalistisch arbeitender Künstlerinnen und Künstler, die sich von den kunsthistorisch besetzten Termini nur bedingt repräsentiert fühlen. Sie stehen der geometrischen Abstraktion und der Minimal Art zwar nahe, doch sind es vielmehr neue Tendenzen jener künstlerischen Praxis, überführt in die unmittelbare Gegenwart, anhand derer die fünf beteiligten Künstlerinnen und Künstler in den Disziplinen Skulptur, Relief, Malerei, Textilkunst, Konzeptkunst, Intervention und Collage zeitgenössische Ausdrucksformen suchen.
Arbeiten aus Holz, Glas, Papier, Wolle, Beton und Emaille stehen sich in einem spannungs- und facettenreichen Rundgang über zwei Etagen gegenüber. Teils konträr und gegensätzlich, teils harmonisch und in Symbiose, zeugen sie – trotz Reduktion und Minimalismus – von der Vielfalt künstlerischer Produktionsmöglichkeiten und dem differenzierten Umgang mit unterschiedlichsten Werkstoffen. Und so sucht die Werkschau mit dem Untertitel Re:Defining Spaces sowohl nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner innerhalb der Arbeiten als auch nach dem größtmöglichen, innerhalb einer kuratierten Gruppenausstellung, darstellbaren Gesamtkonzept.
Ist es die reduzierte Formensprache, die alle verbindet? Oder sind es Räumlichkeit, Perspektive und konstruktive Gestaltungsprinzipien, die alle vereinen? Welches sind wiederkehrende, künstlerische Problemstellungen und auf welche Weise werden sie gelöst? Finden sich gemeinsame Ansätze oder stehen die unterschiedlichen Materialien und Techniken zwangsläufig für ganz eigene künstlerische Notwendigkeiten?
MinimalKonsens. Re:Defining Spaces zeigt konkret-verspielte Objekte und Assemblagen (Simon Horn), raumgreifende Installationen und Interventionen (Thomas Prochnow), gewebte Horizonte und nuancierte Farbräume (Cornelia Theimer Gardella), (de-)konstruierte Raumcollagen (Nora Keilig) und immersive Holzreliefs (Annekatrin Lemke). Die Erfahrung – besonders die räumliche –, die bei der Betrachtung erlebbar wird und im Vordergrund steht, ist geprägt von Irritation, Überraschung und Partizipation. Die Betrachterinnen und Betrachter werden eingeladen, auf die Suche zu gehen: nach Formen, Strukturen, Linien, Räumen und Farben. Was sie verlieren können, sind Orientierung, Routinen und Befangenheit. Was sie finden können, ist ein erkenntnisreicher Blick, eine überwundene Sehgewohnheit oder neue Perspektiven, neue Räume und ein räumlich-körperliches Erlebnis, das fernab optischer Täuschungsversuche einen minimalistisch-künstlerischen Erfahrungshorizont eröffnet, in dessen Raum-und-Zeit-Gefüge es sich selbst zu verorten gilt.
Philipp Schreiner, Kurator Kunstmuseen Erfurt