Ich male jeden Tag – Baldur Schönfelder
Der 1935 in Ernstthal am Rennsteig geborene Baldur Schönfelder wohnt – abgesehen vom Studium in Berlin – Zeit seines Lebens im Thüringer Wald.
Die Liebe zu meiner Thüringer Heimat ist die Sprache meiner Bilder. Persönliche Erlebnisse und Befindlichkeiten führen meine Hand im Spiel mit den Farben. Ich versuche schlicht und einfach meine Vorstellungen und Empfindungen darzustellen. Es sind fast immer die leisen Töne, an längst verloren geglaubte Melodien erinnernd (...) an die Kindheit, an Harmonie.
Baldur Schönfelder
Erklärtes Lieblingsmotiv in seinen oft als naiv und idyllisch bezeichneten, vor allem aber unverstellt subjektiven Malereien ist der Winter – ein Grund mehr, diese kleine Werkschau bis Ende 2018 im Schlossmuseum zu präsentieren.
Die Ausstellung wird am Samstag, dem 29. September, um 16 Uhr eröffnet.
Frank Motz über Baldur Schönfelder
Neuhaus am Rennweg ist nicht Miami Beach, der Rennsteig nicht die Route 66 und der Thüringer Wald mit den Rocky Mountains schwer zu vergleichen, Schloss Molsdorf ist nicht das Château de Versailles oder MoMA, in dem Henri Rousseaus „Traum“ hängt. Muss auch nicht, passt alles prima. Denn der „Rennsteigmaler“ Baldur Schönfelder, 83, als Künstler Autodidakt, von der Erscheinung des sagenumwobenen rauschebärtigen Bergschrats Rübezahl, „muss nicht groß in die Kunstgeschichte eingehen.“ Er möchte „dem kleinen Mann, der sich mit seinen Bildern unterhält, Freude ins Haus bringen.“ Und findet all das, wofür Andere immer schneller, höher und weiter glauben malochen, klimmen und wuseln zu müssen, zuhause im 7.000-Seelen-Städtchen Neuhaus: Erbauung, Erfüllung, Ruhe, Balance. Das raue Klima, die schneereichen Winter und langen Nebelperioden in der hoch gelegenen südthüringischen Gemeinde, die familiäre künstlerische Vorbelastung in Kindheit und Jugend und die Weisheit des Alters mögen ihren Anteil daran haben, dass der Heimatmaler auch im neunten Lebensjahrzehnt seine künstlerischen Impulse und Intuitionen geradeaus, vorbild- und vorbehaltlos, ohne Gehabe und Umschweife zu unbefangenen, unverdorbenen, erfrischenden, augenöffnenden, ehrlichen und nahbaren Gemälden komponiert, die sich nicht selten aus Erlebnissen und Erinnerungen früherer Tage vor der eigenen Haustür speisen.
Baldur Schönfelder bleibt zeitlebens am Rennsteig. Nur in jungen Jahren, nachdem er die Familientradition der Glasbläserei nicht fortführt, lassen ihn Berufsausbildungen zum Unterstufenlehrer, Kunsterzieher und Musiklehrer in die Ferne, nach Meiningen, Erfurt und Berlin, schweifen, doch stets kehrt er in seine Heimat zurück. Und deren „Stücke“ bestimmen – bis hin zum scheinbar belanglosen Motiv wie dem Holzhaufen, krummen Baum oder steilen Weg – Baldur Schönfelders Œuvre: gesellige Ereignisse (Martinstag, Chorfest, Maientanz, Ausritt, Hochzeitszug, Schlittenpartie, Skivergnügen als „Winterglück“, Drachensteigen), Stadtansichten mit ihren zu allen Jahreszeiten allem physikalischen Regelwerk zum Trotz in halbrunde Hügel gepressten Schieferhäusern, Schönheiten des Augenblicks (der Mohn, die löwenzahnübersäte Wiese, die Abendsonne als Winterglut oder die Vier Jahreszeiten, die er als vier Lebensstufen malt, stets mit Frau Marianna in Anbetracht seiner Heimatstadt auf einer Bank sitzend) und Tagträume mit überm Ort schwebenden Geigern oder Skiakrobaten.
Schönfelder kommt aus einer Glasbläserfamilie, schon als Kind darf er „vor der Lampe“ Glasröhren erhitzen und zu Christbaumschmuck formen, den er verspiegelt, versilbert und bemalt. Im selben Alter malt und zeichnet er aber auch nach der Natur, singt viel, liest wenig. 1949, in der „schlechten Zeit, wo es nichts gab, die Region Notstandsgebiet war“, wünscht er sich am Ende der Grundschulzeit von seinem Paten zur Konfirmation Farbstifte – und bekommt sie. In Erfurt lässt er sich später zum Lehrer ausbilden, natürlich zum Kunsterzieher, nach einem zweiten Studium in Berlin ist er sogar Fachlehrer für Musikerziehung. Dann unterrichtet er an den Schulen in Neuhaus in der vierten bis zehnten Klassenstufe Kunsterziehung und Musik, ein Full-Time-Job, es gibt zu wenig Lehrer. Und er leitet erfolgreich Chöre. Aber immer zeichnet und malt er nebenbei. 1985, mit 50, scheidet er aus dem Schulbetrieb aus, sein Herz macht ihm zu schaffen. Kurz darauf muss er auch seinen Job als Chorleiter aufgeben, das ist, als Der auffliegende Chor nebst vom Winde verwehter Notenblätter auf die Leinwand kommt. Er macht „die Musiktür zu“, die bildkünstlerische soll von nun an noch offener bleiben: „Ich hatte Gott sei dank die Malerei.“ Er malt jeden Tag, „wie es meinem Naturell und meiner Begabung entspricht.“ Irgendwann sagen ihm die Leute, die er malt („lebend, arbeitend, feiernd, lustig“), er möge doch sein bildnerisches Werk ausstellen, und er tut’s, wird ein „malender Rentner“ und ist glücklich damit: „Ich bin ein echter Rennsteigler, am Rennsteig geboren, mit ihm und seiner Landschaft verwachsen, hätte nie woanders wohnen wollen als in seiner Nähe, schon gar nicht dort, wo es keinen richtigen Winter gibt. Der Winter ist meine Jahreszeit. Mich faszinieren die Landschaft, die Schieferdächer, der Kontrast zwischen dem Schnee, dem Himmelblau und Dächergrau. Ich liebe den Menschenschlag, den ich von der Pike auf kennen gelernt habe.“
Das Bild eines Schäfers mit Herde – Hüter – der die Schäflein seiner Gemeinde um sich schart, mag etwas von der warmen, liebevollen, ja schutzspendenden Art Baldur Schönfelders aufzeigen. Möge diese kleine Werkschau dazu beitragen, dass er im Aggregatzustand der Malerei als deren „Hausarzt“ noch lange verweilen darf. Und mitnichten hätte Meister Schönfelder, dessen Gemälde einen Vergleich mit jenen der Serbin Zuzana Chalupová, des Jugoslawen Ivan Generalić oder des Deutschen Adalbert Trillhaase nicht scheuen müssen, im Anschluss an die Molsdorfsche Museumsschau etwas gegen eine Gesamtretrospektive in Santa Monica, den Rockies oder Florida.
Frank Motz
Leiter der ACC Galerie Weimar