Vier „Bauhausmädels“ – Ausstellung im Angermuseum über vier außergewöhnliche Frauen
Für seine Schülerinnen repräsentierte das Staatliche Bauhaus eine entscheidende biografische Weichenstellung. Ungeachtet der schwierigen Stellung von Frauen am Bauhaus ging für sie der Eintritt in die in ihrer Zeit modernste künstlerische Ausbildungsstätte mit einem Bruch zahlreicher gesellschaftlicher Konventionen einher und war ein markantes Zeichen weiblicher Emanzipation. In dem Artikel „Mädchen wollen etwas lernen“ der Zeitschrift „Die Woche“ (1930) wurde der selbstbewusste Typus des „Bauhausmädels“ attraktiv in Szene gesetzt.
Das Projekt im Angermuseum thematisiert das Bauhaus als Möglichkeitsraum für die künstlerische und persönliche Entfaltung der weiblichen Jugend. Doch verfolgten die „Bauhausmädels“ nach ihrem Ausscheiden aus dem Bauhaus recht unterschiedliche Karrierewege: Wege der Selbstbehauptung in der freiberuflichen Ausübung ihrer gestalterischen Tätigkeiten, aber auch solche, die nicht oder nur zum Teil an die im Bauhaus erlernten und eingeübten Konzepte selbstbestimmter, moderner, international vernetzter Kreativität anschlossen und genauso wenig automatisch von Erfolg gekrönt waren.
Die Ausstellung befragt die damalige Euphorie aus der sicheren Entfernung einiger Jahrzehnte und mit dem Wissen um die späteren Schicksale nicht nur der weiblichen Bauhausangehörigen. Exemplarisch nimmt sie die Lebenswege von Gertrud Arndt, Marianne Brandt, Margarete Heymann und Margaretha Reichardt in den Blick. Die Werke dieser Künstlerinnen repräsentieren zugleich die am Bauhaus wichtigen Gewerke Fotografie, Metall, Keramik und Textil, und jede ist in einer wichtigen Phase ihrer Biografie mit Thüringen verbunden: Gertrud Arndt verbrachte große Teile ihrer Jugend in Erfurt und lebte später mit ihrem Gatten Alfred Arndt, der wie sie am Bauhaus Dessau studiert hatte und ein Architekturbüro in Probstzella führte, am südlichen Rand des Thüringer Waldes; Marianne Brandt trat schon in das Weimarer Bauhaus ein und fand später in den Gothaer Ruppelwerken ihre erste feste Stelle nach dem Ausscheiden aus dem Dessauer Bauhaus; Margarete Heymann gehörte 1920 zu den ersten jener selbstbewussten jungen Frauen, die sich um die Aufnahme an das Bauhaus in Weimar bewarben, und sorgte mit ihrem fulminanten Abgang aus der Keramikwerkstatt in Dornburg/Saale für einen Markstein des weilblichen Aufbruchs jener Tage; die gebürtige Erfurterin Margaretha Reichardt schließlich kehrte nach ihrem Studium am Dessauer Bauhaus 1933 in die Thüringer Metropole zurück, wo sie als selbstständige Gestalterin und Weberin eine Handwebereiwerkstatt aufbaute und über 50 Jahre hinweg erfolgreich betrieb.
Die Absolventinnen des Bauhauses nahmen unterschiedliche Karrierewege. In der Ausstellung wird deutlich, wie die vier ausgewählten Frauen am Bauhaus in Weimar und Dessau partizipierten und später das dort vermittelte Konzept der Verbindung von Handwerk, Kunst und Technik in ihre jeweils eigene „Sprache“ als Gestalterinnen übersetzten. Die Biografien wurden getragen von der Vision, einen kreativen Beruf auszuüben, sich unabhängig und selbstständig zu machen. Nicht in jedem Fall wurde das Wirklichkeit.
Die Ausstellung im Erfurter Angermuseum präsentiert über 335 Objekte aus zahlreichen privaten und öffentlichen Sammlungen und Archiven und vermittelt anschaulich die künstlerischen Wege der ausgewählten Gestalterinnen aus der Zeit am Bauhaus und danach.
Zur Ausstellung erscheint ein etwa 300-seitiger Katalog im Sandstein Verlag Dresden, herausgegeben von Patrick Rössler, Elizabeth Otto, Kai Uwe Schierz und Miriam Krautwurst.
Dank gilt den Förderern Thüringer Staatskanzlei, Sparkasse Mittelthüringen, Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, SV SparkassenVersicherung, Ernst von Siemens Kunststiftung und Hotel Zumnorde, Erfurt.
Ein umfangreiches Programm begleitet die Schau. Die erste Veranstaltung steht am Dienstag, dem 26. März 2019, 18 Uhr auf dem Plan. Dr. Elizabeth Otto spricht in ihrem Vortrag über „Bauhaus-Feminities in Transformation“. Der Vortrag findet in englischer Sprache statt. Elizabeth Otto ist Kunsthistorikerin, Bauhausspezialistin und Autorin und Mitherausgeberin des Ausstellungskatalogs.